Königliche für alle
Bild: Judith Schlosser (Theater Basel)
Wir müssen Wald werden!
Nach dreissig Jahren Aktivismus, Musik, Performancekunst bespielen die Reines Prochaines für einmal die grosse Bühne des Stadttheaters in der kleinen Stadt, für die sie schon immer zu gross waren, und der sie trotzdem treu geblieben sind. Mit ihrer Basler Stadtmusikantinnen-Revue bleiben die Königinnen dann aber vor allem sich selbst treu, bleiben in aufwendigen Kostümen, opulenter Ausstattung und komplizierter Bühnentechnik ganz bei sich - und damit nie allein. Von stapelbar-musikalischen Tieren ausgehend, reflektieren sie das Leben, Denken und Schaffen im Kollektiv und meinen: Vom Wald müssen wir lernen! Diese verrottete Gegenwart pilzgeflechtartig unterwandern!
Es geht quer durch Kindheiten und alle Musikgenres, durch einen farbigen Peniswald und die wohlige Hölle der Wechseljahre. Es ist laut, bunt, politisch, nah und persönlich, es wird geschwitzt und auch mal schräg gesungen. In leiseren Momenten spüre ich meine Unterarmhaare, höre ich die Stühle der peinlich Berührten knarren, denn was Michèle Fuchs, Fränzi Madörin, Muda Mathis, Sus Zwick und ihre queere Friendsquad hier abliefern, ist das Gegenteil einer geschlossenen, polierten Erzählung. Und wer dieses Haus kennt, weiss das umso mehr zu schätzen. Dieses BühnenStück Welt ist lustig und brüchig und dreckig und schön. Es geht auch um all jene, die hier im Hintergrund arbeiten. Um jene, die nicht genug verdienen. Es geht um alles, und zwar sofort. Die Königlichen tragen ihr Frausein, Dicksein, Queersein, Emotionalsein, Lautsein, Älterwerden, Wütendbleiben auf die Bühne, ein hochgestapelter Turm dessen, was ich zu hassen gelehrt wurde. Und am Ende kann ich nicht anders, als eine Träne zu verdrücken und sie zu lieben.
PS. Im Foyer verkaufen sie Merch - schliesslich hält der Vertrag mit dem grossen Haus nicht ewig! - mich schaudert kurz und ich kaufe.
Text: Franca Schaad